Mit Farb' und Pinselstrich

Wer Ulrike Taferner beim  Knopferlmalen zusehen will, muss ihr etwas auf die Pelle rücken. Ihre Leinwand hat oft nicht einmal einen Zentimeter Durchmesser, als Palette reicht eine Untertasse mit ein paar Farbtup-fern, und ihre Lieblingspinsel haben kaum mehr als drei Haare. Eine Serie Blumen-Knopferl, sprich neun Kunstwerke, schafft sie mittlerweile in nur zwei Stunden. Das geht nur mit voller Konzentration. Wenn Ulrike beim Malen über ihren Werktisch gebeugt ist, ihre Nasenspitze nicht einmal eine Pinsellänge von den glatten Knöpfen entfernt, die in eine Wurst aus Knetmasse eingebettet sind, sieht sie nur noch ihre Arbeit.

Für spezielle Farbvorstellungen oder etwas ungewöhnlichere Wunschmotive nimmt Ulrike auch Sonderanfertigungen an. Noch hat sie keinen Auftrag aus­geschlagen, egal wie skurril. Ulrike malt das geliebte Schoßhündchen auf ein Medaillon oder eine Trompete auf ein  T­Shirt. Was alle ihre Stücke gemein­sam haben: den Ausseer Flair. Er findet sich in den feinen Blumenmustern, die an den Ausseer Handdruck erinnern, in  der pink­grünen Farbpalette oder in Motiven wie dem markanten Loser.  „Die Knöpfe haben die typischen Ausseer Farben. Die wirken zum Beispiel zu einer neutralen Bluse unter einem Gamsfrackl super. Natürlich kannst du sie auch schlicht zur Jeans hose tragen. Die Holzanhänger sind eher sommer­lich, die sehen an einem Lederband zu einer weißen Leinenbluse toll aus.“ Zu jedem Stück gibt es auch gleich eine Stilberatung, Kinder dürfen derweil mit dem großen selbst gebauten Puppen­haus spielen oder etwas malen.

Selbstvertrauen statt Diplom

Seit Sommer 2017 gehört der Anblick der konzentriert tupfenden Knopferl­ Ulli hinter dem Schaufenster zum  Bad Ausseer Altstadtpanorama. Und das, obwohl die Niederösterreicherin erst zwei Jahre zuvor mit ihren zwei kleinen Töchtern und ihrem Mann Werner, der eine Stelle als Optiker wahr­nahm, hierhergezogen ist. „Wie bei den meisten Handwerkern hat alles daheim im Wohnzimmer begonnen“, erinnert sich Ulrike. Damals fing Werner hobby­mäßig an, Brillenbügel aus Hirschhorn zu schnitzen. Er war es, der Ulrike erst­mals dazu bewegte, eine kleine, glatt geschliffene Stelle zu bemalen. „Ich habe ihn gefragt, wie er sich das vorstelle – auf vier mal vier Millimeter könne ich  ja keinen Hirsch malen. Woraufhin  er sagte: ‚O doch, ich glaube, dass du  das kannst.‘“

"Die Kunde von den schönen Knopferln sprach sich schnell herum."

Neben der richtigen Form der Seh­schwäche und einer gesunden Portion Selbstvertrauen braucht man als selb­ständige Künstlerin vor allemeines: ein Gespür fürs Geschäft. Die ersten Möglichkeiten, ihre Sachen auszustellen, verschafft ihr eine Einheimische, die viel im Ortsgeschehen organisiert – eine „husige Dosige“, wie Ulrike sie nennt. Zu Beginn bemalt Ulrike hauptsächlich Schmuck, bis sie merkt, dass es derlei zuhauf gibt und die traditionsbewussten Bad Ausseer nichts zu Ausgefallenes an ihre Tracht heranlassen. Aber die kleinen Knopferl und Anhänger mit den zarten Bemalungen sehen tatsächlich so aus, als könnten sie traditionelle Ausseer Handwerkskunst sein und zur Trachtenmode gehören wie Stutzen und Kropfband.

Viele nichteinheimische Kunden sind deshalb oft überrascht, wenn sie erfahren, dass „S’ Ausseer Knopferl“ kein generationenalter Betrieb ist immer­hin sieht man die Knöpfe immer öfter von einem traditionellen Dirndl in der Region blitzen. So sprach sich die Kunde von den schönen selbst gemachten Knop­ferl schnell herum, und die Niederöster­reicherin wurde innerhalb von zwei Jahren zur Bad Ausseer „Knopferl-Ulli“, wie man sie mittlerweile in der Region kennt. „So ist das immer bei mir. Ich gehe mit einer Idee schwanger, die eine Zeit in mir heranreift, und dann, wenn sie da ist, geht alles Knall auf Fall. Dann passiert sehr schnell sehr viel.“

Sich selbständig machen, für die Kinder sorgen, den Kontakt zur Familie in Niederösterreich wahren: Als „Kami­kaze“ beschreibt Ulrike die letzten paar Jahre seit ihrem Umzug. „Es hat alles so sein sollen. Ich bin erst relativ spät auf die Malerei aufmerksam geworden, aber dafür kann ich mir jetzt einen selbständigen Lebensweg damit ermög­lichen.“ Auch wenn die 47­Jährige, wie sie sagt, schon lange aufgehört hat, an die Zukunft zu denken: In ihrem kleinen Geschäft, umgeben von ihrer Kunst, wirkt sie nicht nur, als wäre sie an­gekommen, sondern als wäre sie nie woanders gewesen.