Die einzigartigen Winterstimmungen genießt man im Salzkammergut eingehüllt in Handarbeit. Es wärmen Leidenschaft, Qualität und das gute Gewissen, regional zu kaufen.
Das Sprichwort „Kleider machen Leute“ trifft in den traditionellen Handwerksstätten des Salzkammergutes auf Jahrhunderte altes Wissen und Geschicklichkeit. Damit verändert es seine Bedeutung. Hier machen nämlich Leute Kleider. Und zwar trachtig-funktionelle. Schon vor hunderten von Jahren trugen sowohl Förster, Jagdherren und Sennerinnen als auch der Adel heimische und von Hand gefertigte Textilien. Sicher und warm verpackt trotzten sie so den Wetterkapriolen im Salzkammergut. Die Kunst der Verarbeitung von Stoffen, Leder und Naturmaterialien ist auch heute ein gelebtes und wertgeschätztes, regionales Kulturgut. Die heimischen Handwerksbetriebe sorgen mit ihrem Können für wohlige Wärme und den Erhalt traditioneller Kleidung. Ein Streifzug durch die Handwerkslandschaft führt zu Schuhmacherin Sonja Grill in Pichl-Kainisch, in die Hutmacherei Leithner in Bad Aussee und zum Trachtenausstatter Lodenfrey nach Bad Ischl. Die drei Traditionsunternehmen arbeiten seit Generationen mit den wertvollen Erfahrungen ihrer Vorfahren und setzen diese – gespickt mit neuen Ideen – um. Sowohl in der Schuh- als auch in der Hutwerkstätte erkennt der Besucher die Einzigartigkeit jedes gefertigten Kleidungsstücks. Ein Blick in die Welt von Tracht und Mode Lodenfrey fördert die Erscheinungsvielfalt von bewährten Textilien zutage.
„Ganz wie früher.“ Diese Feststellung bedarf keines Vergleichs. Sie ist ein Umstand, den man spürt, wenn man die Werkstatt der Schuhmachermeisterin Sonja Grill in Pichl-Kainisch im Ausseerland-Salzkammergut betritt. Verschiedenfarbige Lederrollen zieren die Wand. Davor legt Josef Zaisenberger, Sonjas Vater, gerade Hand an einen Haferlschuh. „Der Haferlschuh ist sicher eines der begehrtesten Modelle aus unserem Haus“, sagt Sonja Grill. Ganz nach dem Motto: „Schusterin bleib bei deinen Leisten“ hat sie den Betrieb – nach einer kaufmännischen Ausbildung – vor knapp 30 Jahren übernommen. Seitdem widmet sie sich intensiv dem Handwerk und betreibt überdies das Schuhhaus Zaisenberger in Bad Aussee.
Bei Sonja Grill fällt eine Art von Schuh ganz besonders auf: der „Ausseer Tatscher“. Ein mit Leder kunstvoll besetzter Lodenschuh, gefüttert mit warmem Lammfell. „Die Ausführungen sind hier recht variantenreich“, erklärt Sonja Grill. Für das Obermaterial (Loden) stehen Farben wie Grün, Rot oder Natur zur Auswahl. Auch der Lederbesatz ist variabel. „Beim Anpassen des Schuhs achten wir vor allem auch auf den Abschluss an der Wade. Hier muss er exakt passen“, sagt sie. Während sie die Schuhe präsentiert, klackert es in der Werkstatt. Josef Zaisenberger näht auf einer alten Singer-Nähmaschine das Leder an einen „Tatscher“. Der 85-Jährige arbeitet ganz genau. Exaktheit ist seine Expertise. Diese Eigenschaft hat sich auch seine Tochter in den letzten 30 Jahren erarbeitet. Und während Sonja Grill anhand der Arbeitsutensilien die Entstehung des „Tatschers“ Schritt für Schritt deutlich macht, stellt sich das Verständnis für das Schuster-Sprichwort ein: „Schusterin bleib bei deinen Leisten.“ Beim Leisten zu bleiben ist der Meisterin eine Herzensangelegenheit.
Ein Hut ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Das weiß Alexander Reiter. Seit rund 20 Jahren leitet er die Hutmacherei Leithner in Bad Aussee im Ausseerland-Salzkammergut. Die Beweggründe einen handgearbeiteten Hut zu kaufen sind verschieden: Sei es, weil man als Hutträger weiß, dass der Regenschirm zuhause bleiben kann, die Brille nicht nass wird, oder er als Sonnenschutz zu jedem Anlass unbedenklich getragen werden kann. Die persönliche Note, die erhält ein Hut mit dem rechten Schmuck. Das Hutgesteck ist ein Hutschmuck, den der Träger individuell bestimmt. Ein Bart von Gams, Hirsch oder Dachs oder auch eine Stoßfeder vom Birkhahn sind begehrte Dekoration am Hut. Bis zu 5.000 Euro kostet ein besonders prachtvolles Exemplar eines so genannten „langen Barts“.
Ein schwarzer Hut mit grünem Seidenband macht den Ausseer Hut aus. Er wird in der Region gern mit einem Radlbart getragen. Nun sind es nicht nur die Ausseer, die sich der Vielfalt des Hutes erfreuen. Jedes Jahr am Karfreitag machen sich einige Männer aus Bad Goisern aus der Ferienregion Dachstein-Salzkammergut auf, um einen Hut beim „Leithner in Aussee“ zu kaufen. Das hat Tradition. Der Hutmachermeister Alexander Reiter kennt die geschichtlichen Hintergründe: „Die jährlichen Besuche beruhen auf der Tatsache, dass die meisten ‚Goiserer’ evangelisch sind“, erzählt er. Der Karfreitag gilt ihnen somit als höchster Feiertag. Sie gehen in die Kirche und treffen sich im Gasthaus. Vor vielen Jahrzehnten kam einer der Männer auf die Idee, nach Bad Aussee zu fahren, um sich für diesen Anlass einen neuen Hut zu kaufen. Das hat sich im Laufe der Zeit als gesellschaftliches Ereignis etabliert. Heute kommen an besagtem Tag manchmal bis zu 40 Burschen und Männer aus Bad Goisern, um sich eine neue Kopfbedeckung anzuschaffen „und hier ein ‚Zeiterl’ zu verweilen", erzählt Reiter.
Ein leidenschaftlicher Hutträger ist auch der Heli. Er ist ein Ausseer Urgestein, bekannt, wie das falsche Geld. Sagt er von sich selbst. Es gibt kaum einen Tag, an dem Heli ohne Hut aus dem Haus geht. Er kauft seine Hüte grundsätzlich beim Leithner. „Ohne Hut, da fühl’ ich mich nicht richtig angezogen“, sagt er, während er gedankenverloren beim Fenster der Werkstatt hinausblickt. Der 77-jährige Ausseer hält sich gerne in der Hutmacherei auf. Warm ist es. Gemütlich. Der Ofen singt sein Lied und es wird fleißig gearbeitet. Und eines weiß er, der Heli. Wenn er hinausgeht in den Schnee, bleibt das gemütliche Gefühl der 500 Jahre alten Hutmacherei als wärmendes Utensil auf seinem Kopf erhalten. Das Haupt und die Füße sind hiermit bestens versorgt. Aber was trägt man im Salzkammergut, um sich vor der klirrenden Kälte, vor Regen und Schnee zu schützen? Natürlich Loden.
Georg Frey war Pionier in Sachen Loden und machte diesen salonfähig. „Er war der Urgroßvater meiner Frau Maria. Im Rahmen der Weltausstellung 1870 in Paris, ließ er den Loden patentieren“, erzählt Armin Fischer. Gemeinsam mit Maria Fischer ist er heute dafür zuständig, attraktive und funktionelle Mode aus Loden in Bad Ischl zu vertreiben. Im Lodenfrey Verkaufshaus am Bad Ischler Kurhauspark findet man auf rund 1.000 Quadratmetern eine große Auswahl an Tracht und Mode aus edlen Stoffen, Wolle – und natürlich aus Loden.
Seit 170 Jahren hat sich Loden als hochwertiges und multifunktionales Textil bewährt. „Die Herstellung von Loden ist eine Sache des Materials und der Qualität“, erklärt Fischer. Loden ist verfilzte Wolle und findet seinen Verwendungsursprung in der Jagd. „Da der Stoff nicht raschelt, wählte man dieses Material, um auf die Pirsch zu gehen“, sagt der Geschäftsmann und verweist auf die hohe Belastbarkeit des Naturtextils. Durch das Verfilzen der Wolle wirkt der Stoff wasserabweisend. Diese Qualität und die edle Optik erkannte einst auch der Adel. Das führte dazu, dass sich der begehrte Stoff auch im urbanen Raum etablierte.
Noch heute zählen ein Janker oder ein Wetterfleck zu den gefragten Modellen. Wer es gewagter möchte, greift nach einem Dufflecoat. Auch die Damenwelt weiß um die Vorteile eines wärmenden Lodenmantels. Tailliert oder als Poncho serviert Loden Väterchen Frost eiskalt ab. „Man ist heutzutage mit Tracht einfach immer gut angezogen. Dazu gehört in der Region vor allem auch der Loden. Es ist egal, zu welchem Anlass – Tracht ist immer passend", weiß Armin Fischer.
Was im Salzkammergut mit Zeit, Geduld und Geschick entsteht, erweist sich in der Praxis als bewährte Winterkleidung. Eingehüllt in die Leidenschaft für traditionelle Handarbeit, steht einer Entdeckungsreise an kalten Wintertagen nichts im Weg. Und wie eingangs erwähnt, findet man sich zusätzlich ummantelt von gutem Gewissen: Man hüllt sich von Kopf bis Fuß in ein Stück handgefertigte Regionalität.