Die Sommerfrische im Salzkammergut erlebt eine Renaissance. Die junge, kreative Szene entdeckt die Region (wieder) für sich. Wie Peter Schernhuber von der Diagonale, dem Festival des Österreichischen Films.
Gustav Klimt. Friedrich Gulda. Gustav Mahler. Sie sind einige der weithin bekannten Sommerfrischler des Salzkammergutes. Als kulturelle Größen ihrer Zeit verweilten sie gerne Wochen und Monate in der Region. Um ihrem Schaffen zu frönen. Um Energie zu tanken. Um der Stadt und ihrer Hitze zu entfliehen. Damit waren und sind sie nicht allein. Damals wie heute zieht es kreative Menschen ins sommerliche Salzkammergut. Künstler:innen, Journalist:innen, Musiker:innen oder Filmschaffende begeben sich an die Seen und in die Berge. Sie sind Gestalter:innen ihrer Zeit. Sie suchen Ruhe und Inspiration. Sie sind urban und up to date. Das Salzkammergut übt für sie nach wie vor eine unvergleichliche Faszination aus.
Peter Schernhuber gehört dazu. Gemeinsam mit Sebastian Höglinger leitet er seit 2016 die Diagonale, das Festival des Österreichischen Films. Das Duo hat neuen Schwung ins Festival gebracht und lockt alljährlich im Frühjahr tausende Filmbegeisterte nach Graz (2020 von 24. bis 29. März). „Meine Beziehung zum Salzkammergut ist einerseits ganz banal und andererseits ganz unkonventionell“, erzählt Peter Schernhuber. Aufgewachsen in Wels erlebt er die Region seit seiner Kindheit als ganzjährige Ausflugs- und Urlaubsdestination. Wandertour und Schweinsbraten am Laudachsee am Grünberg. Fronleichnam in Hallstatt. Eisessen und E-Bootfahren bei Traunkirchen. „Diese markante Kulisse mit dem Felsen am Traunsee ist eine absolute Kindheitserinnerung.“ Als Teenager ist er mit den Pfadfindern da. „Das Scout Camp in der Nähe von St. Georgen im Attergau war immer wahnsinnig toll“, erinnert er sich. 2003 ist Schernhuber als 15-jähriger erstmals bei einem internationalen Pfadfinderlager der oberösterreichischen Pfadfinder und Pfadfinderinnen. Gemeinsam mit Jugendlichen aus der ganzen Welt. Abwechslungsreiche Wanderungen durch die Burggrabenklamm und warme Badetage am Schwarzensee stehen auf dem Programm. „Wir waren ein reiner Bubentrupp und natürlich gab es auch reine Mädelstruppen. Man kann sich das lebhaft ausmalen – das Ganze war viel mit jugendlichen Leichtsinnigkeiten und pubertären Abenteuern verbunden“, sagt Schernhuber und lacht.
Von Wels zieht es Peter Schernhuber nach der Schule zum Studium und zur Arbeit nach Wien und in die Welt. Da rückt das Salzkammergut etwas in den Hintergrund. „Vor ein paar Jahren habe ich es dann wieder für mich entdeckt“, verrät er. Das Brunofestival am Attersee erregt seine Aufmerksamkeit. Die Attwenger spielen, Vea Kaiser liest, das Publikum ist begeistert. Hinter dem Festival stecken Gina Brandlmayr und Eva Baumgardinger. Beide kommen aus der Kunst und Kulturszene, haben Festivalerfahrung durch ihre Tätigkeit bei der Viennale, Wiens renommiertem Filmfestival. Gina Brandlmayr stellt die Location am Attersee: Sie hat die ehemalige Pension Höllerl in Steinbach übernommen und positioniert sie als Pension Hanslmann. Behutsam verwandelt sie das Haus in ein gemütliches, zeitgemäßes Wohnrefugium. Mit WLAN und Obstgarten. Mit Vintagemöbeln und Kinderspielplatz. „Ich schätze hier die Verbindung von Architektur und Design. Sie ist authentisch, ausgewählt, organisch gewachsen und kein Konzept eines Londoner Innenarchitekten“, erklärt Schernhuber.
Seit zwei Jahren ist Peter Schernhuber regelmäßig beim Hanslmann am Attersee. Samt Ehefrau und seinen zwei kleinen Kindern. „Sommerfrische im klassischen Sinne, mit mehreren Monaten Aufenthalt an einem Ort, ist es nicht“, sagt er. Es ist eine Woche Sommerurlaub – mit geplantem Familienbesuch aus Wels, mit zufälligem Get-Together mit Bekannten aus Wien, mit gemütlichen Tagen beim Hanslmann. Peter Schernhuber schätzt die diverse Gästeschar des Hauses, die gemeinschaftlichen Grillabende jeden Montag, die Möglichkeit zwischen anregendem Austausch und ruhigem Rückzug nach Lust und Laune. Und er genießt die Umgebung: Er fährt mit dem Kinderwagen am Krippenstein oder mit dem Rennrad durch das Weißenbachtal. Er mag die lokale Infrastruktur, die fußläufige Nähe zum See, die kulinarische Entwicklung in der Region: „Das Strandcafé am Altausseer See finde ich total super und Lukas Nagl im Bootshaus am Traunsee versucht auch immer etwas Neues. Das ist sehr reizvoll.“ Wobei der Reiz der Region für Schernhuber nicht unbedingt in der Innovation liegt. „Man darf Orte, Gaststätten, Areale nicht überspielen. Man kann sie sein lassen, ohne sie neu zu interpretieren. Ich brauche keine Foodtrucks am See, sondern manchmal einfach nur ein unverwechselbares Kleinod wie die Konditorei Grellinger in Gmunden. Das empfinde ich als angenehm.“ Und wenn es regnet, sei das auch kein Problem „Wir nehmen das Wetter, wie es ist. Die Sehnsucht nach der Sonne rührt vom Italienurlaub. Aber wenn man richtig ausgestattet ist, dann geht im Salzkammergut alles“, sagt Schernhuber. Nicht umsonst gilt: „Nirgendwo regnet es so schön wie im Salzkammergut.“
Auch für die Zukunft plant Peter Schernhuber seinen Urlaub hier. Neben zahlreichen Festivalbesuchen, etwa in Venedig oder Düsseldorf, oder selteneren Trips in den Iran, der Heimat seiner Frau. „Ich finde das Salzkammergut eine absolut spannende Region. Alles ist sehr sehnsuchts- und nostalgieverbunden. Vieles ist ein Mythos, der vielleicht nicht immer eingelöst wird. Man kann auf jeden Fall gut auf Spurensuche gehen. Auch wenn das manchmal ein Stück albern ist.“ Friedrich Gulda. Gustav Mahler. Ihnen folgt Schernhuber vor Ort. Das Grab des Klaviervirtuosen Gulda und das Komponierhäuschen Mahlers sind in Steinbach am Attersee zu finden. Aber auch die junge Szene, die sich sukzessive ihren Platz im kulturellen Gefüge erobert, hat es Schernhuber angetan. Das Perspektivenfestival bringt beispielsweise Kunst, Mode, Fotografie, Musik oder Design für einen Monat im Sommer an den Attersee. Künstler nutzen leerstehende Geschäftslokale als Ateliers, in der Atterseehalle gibt es eine große Ausstellung. „Hier wird auch Kritik an dem engen Fokus der Region auf die Zeit mit Mahler, Klimt und der klassischen Moderne geübt. Das finde ich durchaus interessant“, erklärt Schernhuber. Für ihn muss das Salzkammergut künftig die Balance zwischen historischem Erbe und Potenzial der Jugend finden, zwischen privaten Investorenprojekten und öffentlichem Raum, zwischen „Overtourism“ und Tourismuskonzept. „Das Salzkammergut muss etwas bilden, das in 40 Jahren von meinen Kindern als Erbe erkannt werden kann“, ist Schernhuber überzeugt. Sie sind die Sommerfrischler der nächsten Generation.