Karlheinz Eder ist Geschäftsführer und Kapitän eines der ältesten Privatschifffahrtsunternehmen der Welt. Es ist die Begeisterung für historische Schiffe und die Freude an den vielen Begegnungen mit Menschen, mit der er die Traunseeschifffahrt im Salzkammergut fest auf Erfolgskurs hält.
„Heute haben wir ein echtes Kaiserwetter“, freut sich Karlheinz Eder, als er mit seinem historischen Schaufelraddampfer „Gisela" am Rathausplatz in Gmunden ablegt. Und wirklich: Der Traunsee zeigt sich an diesem warmen Spätsommertag noch einmal von seiner schönsten Seite. Bäume in herbstlicher Farbenpracht spiegeln sich im Wasser. Der felsige Traunstein erstrahlt im Licht einer bereits deutlich tiefer stehenden Sonne. Am blauen Himmel kann man immer wieder eine Gruppe Zugvögel südwärts ziehen sehen und der Wind hält heute, zur Freude aller Passagiere an Bord, seinen Atem an. Mit der Gelassenheit einer 147-jährigen alten Dame zerpflügt die dampfende „Gisela" die ruhige Seeoberfläche. Sehr passend tritt sie ihre letzte Fahrt der Saison traditionell immer am „Tag des Denkmals" an. Danach wird sie für die Winterpause in die Werft überstellt.
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war das Innere Salzkammergut von Gmunden aus nur über den Wasserweg erreichbar. So kam der Schifffahrt auf dem Traunsee seit jeher eine große Bedeutung zu. 1839 kam es am Traunsee zur Gründung der Dampfschifffahrt durch die Engländer John Andrews und Joseph John Ruston I. Bereits am 15. Mai 1839 fand die erste offizielle Fahrt des hölzernen Dampfschiffes „Sophie“ statt, das regelmäßig zwischen Gmunden und Ebensee verkehrte. Benannt war es nach Erzherzogin Sophie, der Mutter von Kaiser Franz Joseph I. Weitere Dampfschiffe, die alle die Namen von Damen des Kaiserhauses trugen, folgten. Eines davon, die „Gisela“, wurde nach der ältesten Tochter von Kaiserin Elisabeth und Kaiser Franz Joseph I. benannt. Seit 1872 steht sie im Dienst der Traunseeschifffahrt.
1984 übernahm Karlheinz Eder das Unternehmen von seinem Vater Karl und war damals der jüngste Schifffahrtsunternehmer Österreichs. „Das Wesentliche unserer Erfolgsgeschichte ist, dass wir bei der Erhaltung dieser schönen alten Schiffe immer versucht haben authentisch zu bleiben. Bei uns gibt es keinen Raddampfer mit eingebautem Elektro- oder Dieselmotor. Dieses Schiff fährt wirklich noch mit der originalen Dampfmaschine aus der Donaumonarchie“, erklärt der stolze Kapitän bei einer Führung durch das Schiff. Durch eine Öffnung an Deck kann man dem Maschinisten bei seiner Arbeit an der Maschine mit den riesigen, rotierenden Zylindern zusehen. Es sind besonders die Augen der Kinder und Väter, die zu glänzen beginnen, wenn es zischt und raucht und sie das gut abgestimmte Zusammenspiel von Kapitän, Maschine und Maschinist hautnah beobachten können. Und auch Karlheinz Eder gesteht, dass er vom Beruf des Schiffsführers nach fast 40 Jahren immer noch so begeistert ist wie am ersten Tag: „Dieser Job ist etwas ganz Besonderes, weil man ein sehr breitgefächertes Wissen dabei erwerben kann. Man ist technisch gefordert, ein bisschen im Marketing tätig und betreibt beim Reden mit den Gästen auch immer ein wenig Marktforschung. Man ist auf einem der schönsten Seen der Alpen unterwegs und immer an der frischen Luft. Wo kann man das denn bitte noch?“, fragt Eder zurecht.
Längst schon verdingt sich die alte „Gisela" nicht mehr nur ausschließlich in der Linienschifffahrt. Karlheinz Eder hat das historische Juwel über die Jahre hinweg geschickt als schwimmende Eventplattform positioniert. Von der standesamtlichen Trauung, über Theater- und Konzertveranstaltungen bis hin zur exklusiven Produktpräsentation und zum Firmen-Incentive hat „Gisela“ bereits alles gesehen. Für einen Film mit Leinwandlegende Michel Piccoli wurde sie als norwegisches Postschiff verkleidet und auch in der beliebten Fernsehserie „Schlosshotel Orth“ spielte sie bereits eine Rolle. Es verlangt also einiges an Kreativität, sich mit der historischen Schifffahrt nebst der modernen Motorschifffahrt zu beweisen. „Für den Erhalt eines Schiffs mit originalgetreuen Maschinen aus dem vorvorigen Jahrhundert benötige ich ein eigenes Netzwerk. Die ‚Gisela‘ kann ich weder alleine warten, noch kann ich sie in eine Werkstätte zur Reparatur führen. Das sind alles Sonderanfertigungen‘, so Eder und weiter: „Das Öl für die Verbund-Dampfmaschine mit den oszillierenden Zylindern konnten wir zum Beispiel eine Zeit lang nur aus Schottland beziehen.‘
Die Schifffahrt wurde Karlheinz Eder praktisch in die Wiege gelegt. Mit vier Jahren durfte er bereits unter der Aufsicht seines Vaters ein Schiff steuern. „Mein Vater hat selbst ein Schiff gebaut, obwohl er nie Schiffsbau studiert hatte“, erinnert sich der Unternehmer. „Ich habe miterlebt, wie er zuerst den Kiel gelegt hat und dann daraus langsam das nackte Gerippe eines für mich riesigen Schiffes entstanden ist. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieses schwere Gerüst jemals schwimmen können würde. Aber das tut es heute noch!“ lacht Eder verzückt „und zwar in Ostdeutschland und das nach wie vor im öffentlichen Verkehr.“ Ehrfürchtig erzählt er vom Lebenstraum des Vaters, eines Tages die große Traunseeschifffahrt erwerben zu können und wie sehr er immer an die Umsetzung dieser Idee geglaubt hat. 1951 stieg Karl Eder sen. mit einem kleinen Konkurrenzunternehmen in die Linienschifffahrt am Traunsee ein. Seine 20-minütigen „Schlösserfahrten“ mit dem Motorboot „Erika“ erfreuten sich bald größter Beliebtheit. Das junge Schifffahrtsunternehmen konnte er soweit ausbauen, dass es ihm schlussendlich im Alter von 67 Jahren gelang, die gesamte Flotte der Traunseeschifffahrt zu übernehmen. „Wenn man das alles sieht und miterlebt, prägt das natürlich schon sehr. Ich bin da einfach mit hineingewachsen und so wurde der berühmte Satz von Antoine de Saint-Exupéry zu meiner Maxime, nach der ich bis zum heutigen Tag lebe: ‚Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann rufe nicht die Menschen zusammen, um Holz zu sammeln, Aufgaben zu verteilen und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer.‘“
„Mit Gisela geht nichts schnell“, freut sich Karlheinz Eder spitzbübisch, als er in der immer noch warmen Nachmittagssonne Ebensee am südlichen Ufer des Traunsees ansteuert. „Dieses Schiff fährt normal mit 36 Umdrehungen pro Minute. Das ist Entschleunigung pur!“ Der Schiffsunternehmer und Kapitän aus Leidenschaft, der nach eigenen Angaben all seine Schiffe am Motorengeräusch und am Geruch erkennen kann, kommt ob des traumhaften Wetters beim Ablegen von Ebensee noch einmal kräftig ins Schwärmen: „Alleine das Gefühl, das ich habe, wenn das Schiff losfährt, ist schwer zu beschreiben.“ Zwölf Schaufeln sorgen auf beiden Seiten des Schiffs für den Antrieb. Vier bis fünf Schaufeln pro Rad befinden sich dabei immer im Wasser. „Bereits nach 50 Metern merke ich, wie jeglicher Stress von mir abfällt. Das Schlagen der Schaufeln am Wasser hat für mich fast schon etwas Meditatives.“
Die historische Schifffahrt hat im Salzkammergut große Tradition. Die Kombination aus dem unverwechselbaren Flair alter Schiffe und der malerischen Landschaft des Salzkammergutes ist ein Genuss der ganz besonderen Art und ein unübertroffenes Erlebnis für Nostalgiker. Die Schifffahrt im Salzkammergut lässt aber auch sonst keine Wünsche offen: Vom ältesten Raddampfer bis hin zum spritzigen Motorboot wird alles geboten. Historische Attraktion, moderne Linienschifffahrt oder individuell abgestimmte Bedarfsschifffahrt. Eine Fahrt hinaus in das blaue, türkise oder grün schimmernde, glasklare Wasser auf einem der schönen Seen des Salzkammergutes bleibt in jedem Fall eine eindrucksvolle Art, dieses Naturjuwel zu erkunden.