Suche
Suchen
Schließen

Zeitensprung

Historische Ansichten

Man kann sie natürlich einfach nur als architektonische Juwele bestaunen. Spannender ist aber, in die Geschichte der Attersee-Villen einzutauchen, um mit und in ihnen aus der Zeit zu fallen.

Gustav Klimt malte hier den Großteil seiner gut fünfzig Landschaftsbilder. Heimito von Doderer brachte in der Villa seines Onkels Richard in Steinbach am Attersee die erste Seite der „Strudlhofstiege“ zu Papier. Gustav Mahler schuf in seinem Komponierhäuschen direkt am Seeufer Teile seiner 2. und die gesamte 3. Symphonie. Man sieht schon: Der Attersee war seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur Sehnsuchtsort betuchter Sommerfrischler, sondern auch Magnet für Große auf dem Gebiet von Kunst und Literatur, ein türkisblau glitzernder Quell der Inspiration. Viele der Seevillen erzählen Geschichte und Geschichten – von tiefsinnigen Diskursen über die Zeit und von rauschenden Festen. Wir haben vier historische Häuser zwischen Seewalchen und Unterach besucht. Aus den Villen Orléans und Ransonnet wurden die Hotels Villa Weiss und Grafengut, die Villa Paulick bietet Führungen an, und die Villa Polese, ein Privatwohnsitz, öffnet zum Beispiel für Lesungen immer wieder ihre Pforten.

Villa Polese

Sie steht in der Jeritzastraße in Unterach, und das verrät schon viel. Denn hier hatte auch die tschechische Operndiva Maria Jeritza, die Maria Callas des beginnenden 20. Jahrhunderts, ihre Villa stehen. In dieser Ecke des Attersees lag um die Jahrhundertwende Musik in der Luft, denn Stars wie die Jeritza zogen natürlich ihresgleichen an. Daran denkt die derzeitige Besitzerin Sonja Polese oft: „Ich lebe hier in einem Haus voller Geschichten. Ich stelle mir immer die schönen Feste vor, bei denen Klavier gespielt wurde, interessante Gespräche stattfanden und man einfach den Sommer genossen hat.“ In den 1960er-Jahren führte Sonjas verstorbener Mann die Villa als Pension, heute dient sie ihr als Lebensmittelpunkt. Aber nicht nur im Sommer, sondern auch in den kalten Attersee-Wintern: „Ich habe ein Abkommen mit dem Haus und sage immer: Ich versorge dich von außen, dafür gibst du mir Schutz in deinem Bauch.“

© Villa Polese - Red Bull Media House Servus Salzkammergut Mirco Taliercio - Die Geschichte ist in Servus Salzkammergut erschienen
Salon mit Sofa und Sesseln in der Villa Polese in Unterach
© Villa Paulick - Red Bull Media House Servus Salzkammergut Mirco Taliercio - Die Geschichte ist in Servus Salzkammergut erschienen
Musikzimmer mit Flügel in der Villa Paulick in Seewalchen

Villa Paulick

Einer seiner Lieblingsplätze war das alte Bootshaus. Dort hatte er Fernrohr und Staffelei aufgebaut und ließ sich an seinem tiefhellen See, wie er ihn nannte, vom Spiel der Farben berauschen, ehe er diese Aufgabe am Abend bei einem der zahlreichen Feste dem roten Weine übertrug. Gustav Klimt war vom Jahr 1900 an 16 Sommer lang Gast in dieser Villa in Seewalchen, die nach ihrem Erbauer, dem k. u. k. Hoftischlermeister Friedrich Paulick, benannt ist und in deren Halbdunkel man sich bis heute in die Kaiserzeit versetzt fühlt.
Nicht nur, weil den Salon jene prachtvolle Kassettendecke ziert, die 1873 bei der Wiener Weltausstellung den kaiserlichen Pavillon schmückte. Hier lebt auch noch der Geist der Sommerfrische aus Klimts Zeiten; und wer sich hier einmieten will, muss auf eine Warteliste, wenn er nicht Stammgast ist. Aber bei Führungen oder Kulturveranstaltungen kann man diesen Geist auch ohne Zimmerschlüssel atmen.

Villa Paulick

Villa Weiss

Mit dem kaiserlichen Thron wurde es für ihn nach der Abschaffung der Monarchie in Brasilien im Jahr 1889 nichts mehr, dafür wollte Dom Pedro de Orléans e Bragança, Enkel des letzten Kaisers Pedro II., zumindest königliche Sommer erleben. Dafür ließ er sich auf dem Schlossberg in der Gemeinde Attersee 1926 ein prächtiges Jagdhaus bauen – die Villa Orléans, heute Villa Weiss. 
Adelige Gäste aus aller Welt gingen hier ein und aus und wurden vom Hausherrn zur Jagd ins Höllengebirge eingeladen. Dann kam der Krieg, und das Haus wurde Versehrtenheim und danach Flüchtlingsunterkunft. 2016 kaufte die Salzburger Familie Weiss die geschichtsträchtige Villa und betreibt sie seit einer Renovierung als Boutiquehotel. Und immer dann, wenn bei einem opulenten Dinner oder einer Veranstaltung die Gesellschaftsräume mit Leben erfüllt werden, hätte wohl auch Dom Pedro seine Freude damit, was aus dem Haus geworden ist.

Villa Weiss
© Villa Weiss - Red Bull Media House Servus Salzkammergut Mirco Taliercio - Die Geschichte ist in Servus Salzkammergut erschienen
Speisezimmer mit Esstisch in der Villa Weiss in Attersee
© Grafengut - Red Bull Media House Servus Salzkammergut Mirco Taliercio - Die Geschichte ist in Servus Salzkammergut erschienen
Bunte Möbel, Kunstwerke und Skulpturen im Grafengut in Nußdorf

 

 

TEXT: Wolfgang Maria Gran FOTOS: Mirco Taliercio

Text & Fotos sind im Servus Salzkammergut Magazin 2021 erschienen.

Das Grafengut

Selbst wenn die Villa inzwischen nicht mehr nach ihm benannt ist, lebt das Vermächtnis des  ursprünglichen Besitzers Eugen Freiherr Ransonnet-Villez hier weiter. Von einer seiner Weltreisen brachte der Diplomat und Naturforscher nämlich sechs Riesen-Lebensbäume für seine Frau, seine Töchter und sich selbst mit und pflanzte sie im 3.000 Quadratmeter großen Park des 1871 erbauten Hauses ein. Im Lauf von 150 Jahren verschlangen sich die Stämme derart ineinander, dass sie heute wie einer wirken – womit für immer etwas von Ransonnet im Grafengut bleiben wird. Der aktuelle Pächter Christian Ebner hat das Haus zu einem modernen Seminarhotel umgestaltet, das augenzwinkernd mit dem Charme von früher spielt – etwa wenn in der zur Hochzeitssuite umgebauten ehemaligen Hauskapelle noch das originale Weihwasserbecken über dem Nachtkasterl aus der Wand ragt. Besondere Empfehlung: das herrliche Frühstück auf der Seeterrasse.

Das Grafengut