© Kalmberg Goiserer Huette - Red Bull Media House Tom Son / Servus Salzkammergut - Die Geschichte ist in Servus Salzkammergut erschienen
Wir sehen die Goiserer Hütte auf eine Anhöhe zwischen einem Wald von Latschen. Im Hintergrund Bergpanorama.
Wir sehen die Goiserer Hütte auf eine Anhöhe zwischen einem Wald von Latschen. Im Hintergrund Bergpanorama.

Der Indianer im Fels

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Auf dem Pfad zum Indianer

Unsere Wanderung auf den Hohen Kalmberg lässt eine Geschichte lebendig werden, die so kurios ist, dass manch einer daran zweifelt, ob sie sich wirklich so zugetragen hat.

Wahr ist, dass sich der Bürgermeister von Bad Goisern am Hallstätter See anlässlich seines Fünfzigers vom Hohen Kalmberg abseilte, um dem Indianer die Nase zu putzen. 25 Jahre ist das her. So lange, dass viele Junge zweifeln, ob sich diese Geschichte tatsächlich zugetragen hat. Dabei berichtet eine Tafel am Weg, der zum Gipfel des Hohen Kalmberg (1.833 m) führt, von diesem denkwürdigen Ereignis: „Vül Schwitz ham’s verloren“, ist dort zu lesen. Darüber zeigt eine Zeichnung eine achtköpfige Seilschaft, die Bürgermeister Reinhard  Winterauer sichert. Bürgermeister ist er schon lange nicht mehr. Vor 20 Jahren hat er das Amt übergeben, aber an den „Goiserer Grenzgang“, der auch über den Hohen Kalmberg führte, erinnert er sich gerne. „Wir waren fünf Tage entlang unserer Gemeindegrenzen unterwegs“, erzählt Reinhard, „jeden Tag 13 Stunden. Am Schluss waren’s mehr als 7.500 Höhenmeter und 67 Kilometer.“


Vül Schwitz ham's verloren

Der Berg weckt Erinnerungen

Ganz so lang wird unsere Runde heute nicht. Aber wie damals den Bürgermeister zieht es uns auf den Gipfel des Hohen Kalmberg, unter dem der „Indianer“ zuhause ist. Es handelt sich dabei um einen riesigen Felsen, dessen Konturen einen Kopf zeigen, der den (gespielten) Wilden Westen aus Kinderzeiten unweigerlich lebendig werden lässt. 
Wir steigen langsam hoch, passieren riesige Ameisenhaufen und klettern über feuchte Steine vorsichtig in die Kalmooskirche. Diese Kirche ist eine Höhle, in der „Lutherianer“, verborgen vor den streng katholischen kaiserlichen Behörden, ihre Messen feierten. Da ist ein Kreuz, ein paar Kerzen, die Felsen sind grün vor Feuchtigkeit.
Mit jedem Schritt werden die Latschen links und rechts des Pfades niedriger. Ein paar Meter unterhalb des Gipfels treten wir schließlich ins Offene. Das Kreuz ist bereits zu sehen. Wir ahnen, dass der Ausblick atemberaubend sein wird.

© Kalmberg - Red Bull Media House Tom Son / Servus Salzkammergut - Die Geschichte ist in Servus Salzkammergut erschienen
Wir sehen das Gipfelkreuz des Hohen Kalmbergs. Die Felsformation unterhalb zeigt den Kalmberg Indianer.
Kopf mit Charakter
Unterhalb des Gipfelkreuzes des Hohen Kalmbergs blickt der Indianer in die Weite des Landes. Er scheint dabei gütig zu lächeln.

Das Bild der Seilschaft des Bürgermeisters vor Augen, lassen wir unsere Blicke umherwandern. Und stellen fest, dass wir als Späher im Wilden Westen kläglich versagt hätten: Wo ist der Indianer? Wo? – Dass wir ihn nicht sofort erkennen, ist ein bisschen wie den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen. Der Felsen ist weit höher als erwartet, der Indianer so riesig, dass wir unseren Blick neu ausrichten müssen, um ihn zu erkennen. Dann aber – dann schweigen wir beeindruckt.

Jetzt sehen wir auch, wo sich der Bürgermeister hat abseilen lassen, Kopf und Abgrund vor Augen: „Die Höhe hat mir nie was gemacht“, sagt er. „Mit einer Hand habe ich mich festgehalten, in der anderen hatte ich ein weißes Leintuch, um dem Indianer die Nase zu putzen.“ War’s notwendig? „Nein“, lacht Herr Winterauer, „das war Spaß.“

Stärken auf der Goiserer Hütte

Auf den Hohen Kalmberg ist er seither immer wieder gegangen: „40, 50 Mal war ich oben“, sagt er. Ob er zum Fünfundsiebziger wieder auf den Berg steigen wird, weiß er noch nicht. Auf jeden Fall aber will er auf die Goiserer Hütte.
Dort haben wir uns auf dem Rückweg ins Tal niedergelassen. Am Nebentisch wird musiziert – mit Blech und Harmonika. Hüttenwirt Markus „Max“ Verwagner setzt sich zu uns. Seit 2018 ist der gelernte Kfz-Mechaniker, Jahrgang 1977, hier heroben. Orientalischer Kichererbseneintopf, Wildschweinragout mit Bärlauchspätzle und Kaspressknödelsuppe hat er heute auf der Karte. Ein Glück, dass wir zu dritt sind: Wir nehmen alles. Und es zahlt sich aus.
Auf dem Rückweg wandern wir über die Scharten Alpe. Aus einer der Hütten, die dort von Steinmauern umgeben stehen, steigt Rauch. Noch einmal Wilder Westen, denken wir Cowboys von einst. 
Und oben lächelt weise der Indianer.

© Kalmberg Markus Max Verwagner - Red Bull Media House Tom Son / Servus Salzkammergut - Die Geschichte ist in Servus Salzkammergut erschienen
Hüttenwirt Max Verwagner sitzt mit einer Ziehharmonika vor der Almhütte und lacht in die Kamera.

TEXT: Wolfgang Wieser FOTOS: Tom Son

Text & Fotos sind im Servus Salzkammergut Magazin 2022 erschienen.